Wenn man über die „Offenheit“ einer Volkswirtschaft spricht, meint man in der Regel, wie stark ein Land in die internationalen Handelsverflechtungen eingebunden ist. „Offene“ Volkswirtschaften sind stark in den Welthandel eingebunden, während „geschlossene“ Volkswirtschaften in Relation zu ihrer Wirtschaftsleistung weniger exportieren und importieren.
Der einfachste statistische Indikator, mit dem man die Offenheit einer Volkswirtschaft messen kann, ist die Außenhandelsquote. Diese bemisst den Anteil der Summe des Warenexports und Warenimports am Bruttoinlandsprodukt eines Landes. Um die Werte der verschiedenen Jahre vergleichen zu können, ist es wichtig, bei der Bewertung der jeweiligen Mengen einheitlich vorzugehen. Wir folgen im nächsten Abschnitt Destatis und verwenden die jeweiligen Preise eines Jahres zur Berechnung des Endwertes der Exporte, Importe und des Bruttoinlandsproduktes. Das bedeutet, für das Jahr 2017 verwenden wir die Preise des Jahres 2017, für das Jahr 2016 jene Preise des Jahres 2016, usw. Alternativ könnten wir auch preisbereinigte Werte, zum Beispiel unter Verwendung des Jahres 2010 als Basisjahr, heranziehen. Preisbereinigte Werte haben den Vorteil, dass sie die Preisentwicklung der einzelnen Güter herausrechnen, indem sie die jeweiligen Mengen mit Preisen des Basisjahres bewerten.
Im Jahr 2017 hatte die Summe aus exportierten und importierten Waren einen Gesamtwert von 2,313 Milliarden Euro. Dabei machten Exporte 1,279 Milliarden Euro oder 39,19% des BIP aus; Importe schlugen mit 1.034 Milliarden Euro oder 31,70% zu Buche. Somit betrug die Außenhandelsquote 70,89% und machte dadurch im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt mehr als zwei Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung des Jahres aus. Laut unseren approximativen Hochrechnungen (Rundungsfehler inbegriffen) lag die Außenhandelsquote in den letzten Jahren immer knapp unter dem Spitzenwert von 72,65% aus dem Jahr 2011.
Auffällig ist auch, dass die deutsche Außenhandelsquote im Zuge der Einführung des Euro als Buchgeld (also ab 1999) deutlich angezogen hat: In den neun Jahren nach der Wiedervereinigung betrug die durchschnittliche Außenhandelsquote etwa 42% des BIP. Seit der Einführung der Gemeinschaftswährung lag diese durchschnittlich bei 65%. Nach der Großen Rezession von 2008/09 liegt sie relativ konstant bei etwa 70% des BIP.
Auffällig ist auch, dass die deutsche Außenhandelsquote im Zuge der Einführung des Euro als Buchgeld (also ab 1999) deutlich zugenommen hat: In den neun Jahren nach der Wiedervereinigung betrug die durchschnittliche Außenhandelsquote etwa 34% des BIP. Seit der Einführung der Gemeinschaftswährung lag diese durchschnittlich bei 65%. Nach der Großen Rezession von 2008/09 hat sich das Wachstum der Außenhandelsquote etwas stabilisiert; sie liegt relativ konstant bei etwa 70%.
In den obigen Berechnungen haben wir allerdings nur den Export von Waren berücksichtigt. Bezieht man auch den Handel mit Dienstleistungen ein, dann lag die deutsche Außenhandelsquote laut Destatis-Daten im Jahr 2017 etwa bei knapp 87% der jährlichen Wirtschaftsleistung. Deutsche Unternehmen exportierten Dienstleistungen im Wert von 8,2% des BIP, die Importquote lag bei 8,8%. Im Gegensatz zum Warenhandel ist die deutsche Dienstleistungsbilanz (vor allem wegen der Ausgaben von deutschen Touristen im Ausland) chronisch defizitär – es werden jedes Jahr also mehr Dienstleistungen importiert als exportiert.
Egal ob unter Berücksichtigung der Dienstleistungen oder ohne – gemessen an der Außenhandelsquote ist Deutschland im Vergleich zu anderen großen Volkswirtschaften sehr stark in die internationalen Handelsverflechtungen eingebunden, wie ein Vergleich mit Großbritannien oder den USA zeigt:
Dieser Vergleich zeigt auch, dass es keinen unmittelbar nachweisbaren Zusammenhang zwischen der handelspolitischen „Offenheit“ eines Landes und dessen Wohlstandsniveau gibt. Setzt man die Außenhandelsquote (gemessen an Waren-Quoten) ins Verhältnis zum Pro-Kopf Einkommen einer Volkswirtschaft, zeigt sich, dass der Zusammenhang zwischen „offen“ und „wohlhabend“ zumindest im Ländervergleich nicht eindeutig herzustellen ist. So hat Brasilien beispielsweise im Verhältnis zu seinem Pro-Kopf-Einkommen eine geringe Außenhandelsquote, während die Slowakei bei etwa ähnlichem Pro-Kopf-Einkommen sehr stark mit anderen Ländern verflochten ist.
Nicht nur deswegen sollte man bei wirtschaftspolitischen Rückschlüssen auf Basis der Außenhandelsquote sehr vorsichtig sein. Schließlich setzt die Außenhandelsquote lediglich den Endwert der exportierten Güter ins Verhältnis zum Endwert der produzierten Güter und Dienstleistungen – wie groß dabei der Anteil der heimischen Wertschöpfung ist, lässt sich mit einem Blick auf die Außenhandelsquote nicht genau bestimmen. Genau dies wäre jedoch notwendig um bestimmen zu können, wieviel die deutsche Wirtschaft am Export „verdient“.
Dazu ein Beispiel: Ein Entwicklungsland, dessen Exporte größtenteils unter menschenunwürdigen Bedingungen in Sweatshops produziert wurde, muss möglicherweise für die Betreibung dieser Sweatshops teure Nähmaschinen aus dem Ausland importieren. Der Anteil der nationalen Wertschöpfung am Gesamtprodukt fällt dadurch sehr gering aus. Umgekehrt verhält es sich mit einem hoch technologisierten Industrieland, dessen Lasermaschinen vielleicht zu 100% aus nationalen Vorleistungen bestehen. In beiden Ländern unterscheidet sich die Außenhandelsquote vielleicht nicht stark, der Beitrag des Exports zur nationalen Wertschöpfung und damit zum Bruttoinlandsprodukt pro Kopf allerdings schon.
Die Frage nach der Bedeutung des Exports für die inländische wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist also durch einen einfachen Blick auf die Außenhandelsquote nicht so leicht zu ermessen. Abgesehen vom reinen Außenhandelsvolumen kommt es unter anderem auch auf den Beitrag zur nationalen Wertschöpfung, auf die Bedeutung für die Beschäftigung und die Zukunftsfähigkeit der am Außenhandel beteiligten Sektoren an. Daher ist der Begriff „Exportweltmeister“ zunächst einmal bedeutungslos.
Allerdings hilft uns ein Blick auf die Verwendungsrechnung, auch Ausgabenansatz genannt, einen guten Eindruck über die Bedeutung der Auslandsnachfrage für das Bruttoinlandsprodukt zu gewinnen, was wir im nächsten Abschnitt tun werden.